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Warum ich meine Aufmerksamkeit auf das Werk von Marcelle Cahn richte

Lluïsa Faxedas Brujats lehrt Kunstgeschichte an der Universität von Gerona in Spanien

Ich begann, mich für die Anfänge der abstrakten Malerei zu interessieren und entdeckte dabei Marcelle Cahn und etliche andere Künstlerinnen, die zur gleichen Zeit tätig waren. Ich war erstaunt über die große Zahl an Frauen, die sich der abstrakten Malerei gewidmet hatten und deren Werke bisher so unbekannt geblieben und so wenig erforscht worden sind. Und wenn denn Forschungen angestellt worden waren, dann beschränkten sie sich immer auf die gleichen Künstlerinnen, nämlich Sonia Delaunay und Sophie Taeuber-Arp, und die Probleme, mit denen sie konfrontiert waren, sind auch nicht behandelt worden.

Später wurde mir bewusst, dass im Laufe der 1920er Jahre die Zahl der Frauen, die sich der Abstraktion zuwandten, immer größer geworden war: von den russischen Konstruktivistinnen, über die Frauen am Bauhaus bis zu den vielen Künstlerinnen, die in Paris arbeiteten. So haben Marcelle Cahn und ihre Kolleginnen von der Académie Moderne in dieser Zeit an einer beträchtlichen Anzahl wichtiger Ausstellungen und Aktivitäten teilgenommen. Den Höhepunkt bildete die Gründung der Gruppe Cercle et Carré.

Ich finde es besonders faszinierend zu sehen, wie das Werk von Marcelle Cahn in den 20er Jahren oszilliert zwischen Abstraktion - erkenntlich in den Zeichnungen vom Beginn des Jahrzehnts und vor allem um 1925 herum - und Purismus. Der Text von Marie Luise Syring zu diesem Teil der Werke ist von grundlegender Bedeutung. Das ist die beste Annäherung an die Arbeiten Marcelle Cahns aus dieser Epoche. Aber meines Erachtens nach gibt es noch viele überaus wichtige Fragen zu beantworten. Die interessanteste Frage: warum entfernt sich Marcelle Cahn ab 1930 von der Abstraktion, um erst im Laufe der 50er Jahre wieder an sie anzuknüpfen?

Ich glaube, dass die Rolle, die diese Künstlerinnen gespielt haben, deshalb so wichtig war, weil sie sich der abstrakten Kunst verschrieben hatten, als diese aus den verschiedensten Gründen noch ein komplexes und schwieriges Terrain war. Erstens war das Verständnis für die Abstraktion in Europa in den 20er Jahren generell nicht sehr groß, zumal in Paris, sowohl von Seiten der Kritiker als auch der Galeristen und Sammler. Und wenn es schon immer schwierig war für die Frauen, einen Platz in der Welt der Kunst zu finden, dann war es besonders heroisch für diejenigen unter ihnen, die sich der künstlerischen Sprachformen bedienten, die am avantgardistischsten waren. Man muss wissen, dass die Theorie, die sich hinter den frühesten Entwicklungen der abstrakten Kunst verbarg, ganz offensichtlich frauenfeindlich geprägt war.

Auf den Fotos der Ausstellungseröffnung von Cercle et Carré ist Marcelle Cahn in der ersten Reihe zu sehen, bekleidet mit einem Mantel mit Pelzkragen, ihr Ausdruck eher schüchtern und zurückhaltend, ihr Blick aber fest und entschlossen. In diesem Moment mussten alle Frauen, die wie sie in die Kunstgeschichte eingegangen sind, sehr stark sein, um sich in einem Umfeld, das ihnen nicht besonders gesonnen war, zu behaupten. Ich denke daher, dass sie es verdienen, dass ihre Arbeit mit besonderer Aufmerksamkeit erforscht wird. Die Werke der Künstlerinnen aus dieser Periode repräsentieren einen ganz wesentlichen Teil in der Geschichte der modernen Kunst, der meines Erachtens nach noch nicht genügend Geltung erlangt hat.

Der spanische Originaltext von Lluïsa Faxedas Brujats wurde von Manuel Galavis Valero ins Französische übersetzt. Übersetzung aus dem Französischen ins Deutsche von Marie Luise Syring.

Stadtrundgang « Auf den Spuren Marcelle Cahns in Straßburg » Klicken Sie hier. Das Büchlein « Rencontres avec Marcelle Cahn» ist herausgegeben. Klicken Sie hier.
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